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„Aktien als Zufluchtsanlagen“
In der aktuellen unruhigen Wirtschafts- und Finanzmarktlage sind manche Grundregeln offenbar außer Kraft gesetzt. Je nachdem, wie Risiko definiert wird, könnten sogar Aktienanlagen in ausgewählte Qualitätsunternehmen eine defensive Anlage sein, sagt Guy Wagner, Managing Director von BLI - Banque de Luxembourg Investments (Dauer des Podcasts: 13:30 min).
Guy Wagner, zehn Monate des Jahres 2020 liegen hinter uns – zweifellos ein ungewöhnliches Jahr. Wie haben sich die Finanzmärkte vor dem Hintergrund der Pandemie entwickelt?
Das Jahr war in der Tat sehr turbulent. Die Märkte waren mit einer Hausse ins Jahr gestartet. Anschließend kam es Mitte Februar im Zuge von COVID-19 und dem Lockdown zu einer starken Baisse, die bis Ende März anhielt. Seither haben sich die Märkte wieder erholt und ihre Verluste abermals mehr oder weniger wieder aufgeholt.
Angesichts des seit langem herrschenden Niedrigzinsumfelds ist eine Erholung prinzipiell nur logisch. Das Ausmaß und das Tempo waren jedoch für viele überraschend. Während Experten prognostizierten, dass die Wirtschaft erst in zwei bis drei Jahren wieder auf ihrem Niveau vom Jahresbeginn 2020 steht, haben die Aktienmärkte ihre Verluste bereits wieder aufgeholt.
Heißt das, dass die Finanzmärkte gewissermaßen gegen die Krise immun waren?
Man muss hier klar trennen zwischen den Branchen, die von der aktuellen Situation profitiert haben, und denen, die nach wie vor unter ihr leiden. Die Krise hat zweifellos einige Trends verstärkt, die vorher schon existierten: Technologiewerte hatten sich schon zuvor gut entwickelt und wurden dann einer der großen Gewinnern der Krise. Auf der anderen Seite leiden Branchen wie die Erdöl- oder die Tourismusindustrie. Diese Sektoren haben jedoch strukturelle Probleme, die noch länger fortbestehen werden.
In der jüngsten Ausgabe Ihrer Publikation „Perspectives“ sprechen Sie von der Outperformance der Technologiewerte und stellen sogar das Grundprinzip der Diversifizierung von Anlageportfolios – zumindest zeitweise – in Frage.
Die Situation war vor der Krise ja nicht grundsätzlich anders, sondern wurde durch sie nur verschärft. Man muss bedenken, dass die Technologiebranche im US-Index S&P 500 ein Gewicht von fast 30 % hat. Gafa, die „großen Vier“, also Google, Amazon, Facebook und Apple, machen zahlenmäßig nicht einmal 1 % der 500 Unternehmen im Index aus. Ihr Börsenwert jedoch beträgt zusammengenommen über 20 %. Da kann man wirklich nicht mehr davon sprechen, dass der Index die Vielfalt des Marktes abbildet. Wir sind in einer Situation, in der manche Grundregeln offenbar nicht mehr gelten.
Heißt das, auch die Anleger müssen umdenken?
Ganz offensichtlich ist die Definition von Risiko nicht mehr die, die sie einmal war. Früher war Risiko gleichbedeutend mit Volatilität, entsprechend stellten Aktien zwangsläufig eine risikoreiche Anlageklasse dar. Heute muss Risiko jedoch definiert werden als die Gefahr, einen Teil seines Kapitals dauerhaft zu verlieren. Aktien sind damit nicht mehr unbedingt riskanter als Staatsanleihen. Will ein Anleger heute die Performance der Aktienindizes erreichen oder gar übertreffen, kommt er an den Technologiewerten nicht vorbei.
Aufgrund der Coronakrise und der US-Präsidentschaftswahlen waren die Unsicherheitsfaktoren noch nie so hoch wie heute. Wir wissen, dass die Risikoaversion in unsicheren Zeiten zunimmt. Wie sollten sich Anlegerinnen und Anleger jetzt verhalten?
Wichtig ist, dass man sich nicht allzu sehr von kurzfristigen Unsicherheitsfaktoren beeinflussen lässt. Vielmehr sollte man bei Investitionen auf Unternehmen setzen, die man versteht, die man bewerten kann und die über solide Bilanzen verfügen. Unsicherheitsfaktoren gab es schon immer – und wird es immer geben Eine Eigenschaft, die von Anlegerinnen und Anlegern heute mehr denn je gefordert ist, ist Geduld.
Wichtig ist, dass man sich nicht allzu sehr von kurzfristigen Unsicherheitsfaktoren beeinflussen lässt. Guy Wagner, Managing Director von BLI - Banque de Luxembourg Investments
Gibt es noch sichere Anlagehäfen? Viele denken da ja sofort an Gold.
Gold hat weiterhin seinen Platz in einem diversifizierten Portfolio, zumal einige Faktoren zu seinen Gunsten sprechen: vor allem das exzessive Geldmengenwachstum und das negative Zinsniveau. Gold steigt tendenziell auch, wenn die Politik die haushaltspolitische Disziplin vernachlässigt. Das ist zwar noch nicht der Fall, doch es besteht die Gefahr, dass wir bald dahin kommen.
Doch noch einmal: Auch wenn man das vielleicht nicht sofort meint, können Qualitätsunternehmen im aktuellen Umfeld auch die Rolle von Zufluchtsanlagen übernehmen: dann nämlich, wenn man unter Risiko die Gefahr versteht, sein Kapital auf Dauer ganz oder teilweise zu verlieren.