Luxemburg
14, boulevard Royal, L-2449 Luxemburg
 
Montag bis Freitag
8.30 Uhr bis 17.00 Uhr
 
Wallonie - Brüssel
Chaussée de La Hulpe, 120 - 1000 Brüssel
Flandern
Kortrijksesteenweg 218 - 9830 Sint-Martens-Latem
 
Montag bis Freitag
8.30 Uhr bis 16.30 Uhr

Die Europäische Zentralbank hat für diesen Sommer erste Zinssenkungen angedeutet. Davon dürften Sektoren wie die Immobilienbranche profitieren, meint Guy Wagner, Chief Investment Officer der Verwaltungsgesellschaft BLI - Banque de Luxembourg Investments.

Hören Sie den gesamten Podcast.

 
  • Das Gespenst der Rezession geht um. Kommt jetzt der Abschwung?
  • USA: Bislang bleibt die Rezession aus.
  • Europa: Muss man sich um die Konjunktur sorgen?
  • Wird die EZB diesen Sommer die Zinsen senken?
  • Stellt die Staatsverschuldung die Zentralbanken vor ein Dilemma?
  • Die Aktienmärkte steigen – wie lange noch?
  • Technologiewerte: Droht die Überhitzung?
  • Hartnäckige Inflation, schwache Anleihemärkte
  • Wie attraktiv sind Schwellenländer-Anleihen?
  • Der japanische Markt boomt.
  • Wie sehen die Perspektiven für den chinesischen Aktienmarkt aus?
  • Goldanlagen weiter im Aufwärtstrend

Abonnieren Sie unsere Podcasts!

Guy Wagner, im ersten Quartal stagnierte das Wirtschaftswachstum, und noch immer geht das Gespenst der Rezession um. Was muss geschehen, damit es nicht zum Abschwung kommt?

Dass die Rezession bislang ausgeblieben ist, verdanken wir der US-Wirtschaft, die immer noch die Lokomotive der Weltwirtschaft ist. Obwohl viele Kennzahlen auf eine Rezession hindeuten, bleiben die Wachstumsraten in den USA relativ hoch. Einer der Gründe hierfür ist das hohe Sparvermögen, das die privaten Haushalte während der Pandemie aufgebaut haben und das nun in den Konsum fließt. Auch die hohen öffentlichen Ausgaben spielen natürlich eine Rolle. Hinter den vergleichsweise positiven Zahlen, auf die sich die Märkte konzentrieren, ist allerdings – und auch das gehört zur Wahrheit – eine gewisse Verschlechterung zu erkennen, die immer deutlicher zutage tritt.

In Europa leidet die Wirtschaft einerseits unter der schwachen Industrieproduktion, andererseits unter den steigenden Zinsen. Für wie besorgniserregend halten Sie die Lage?

Zunächst einmal ist das Wachstumspotenzial in Europa geringer als in den USA – schon allein aus demografischen Gründen. Hinzu kommt die größere Abhängigkeit der Eurozone von der verarbeitenden Industrie – vor allem in Deutschland, der größten Volkswirtschaft der Region. Und weil gerade dieser Sektor besonders schwach ist, sehe ich wenig Anlass zu plötzlichem Optimismus.

Anfang April hat die Europäische Zentralbank beschlossen, die Leitzinssätze vorerst auf ihrem hohen Niveau zu belassen. Gleichzeitig hat sie die Tür für eine Zinssenkung im Juni weiter geöffnet, um die Wirtschaft in der Eurozone zu stimulieren. Ist das nicht eine gute Nachricht?

Die EZB steht ja vor einem Dilemma: Eigentlich würde das schwache Wachstum Zinssenkungen rechtfertigen – wenn da nicht die Inflation wäre, die sich hartnäckig hält. Das einzige Mandat der EZB ist aber gerade die Bekämpfung der Inflation – und da sind Zinssenkungen schwer zu rechtfertigen. Das ist schon eine besondere Situation. Trotzdem kann man sagen, dass die Ankündigung eines ersten Zinsschritts in diesem Sommer für manche Sektoren eine gute Nachricht ist – vor allem für die Immobilienbranche.

An den Finanzmärkten dagegen hält der Aufwärtstrend der Indizes ungebrochen an, und Aktien sind nach wie vor sehr gefragt. Wie lange kann sich diese Dynamik noch halten?

„Für die Aktienmärkte verlief das erste Quartal tatsächlich sehr positiv, aber der spektakuläre Anstieg hatte ja eigentlich schon Ende Oktober 2023 begonnen. Man muss allerdings sehen, dass die Faktoren, die diesen Anstieg bedingt haben, immer weniger mit der wirtschaftlichen Realität zu tun haben. Die Anleger hatten sechs Zinssenkungsschritte von der Federal Reserve erwartet, dazu sinkende langfristige Renditen, einen Rückgang der Inflation auf etwa 2 % und steigende Unternehmensgewinne. In der realen Welt ist nichts von alledem eingetreten. Diese Divergenz ist schon etwas beunruhigend.

Mehr denn je sind es die Technologiewerte, die die Indizes antreiben. Besteht da nicht die Gefahr einer Überhitzung?

Ganz eindeutig ja. Die Aktienmärkte werden heute immer mehr vom passiven Management bestimmt. Die Anleger kaufen Indizes, und in den Indizes haben diejenigen Aktien das höchste Gewicht, die am stärksten gestiegen sind. Die Anleger kaufen also die Aktien, die am stärksten gestiegen sind – mit der Folge, dass dieselben Aktien weiter steigen. Die üblichen Fundamentaldaten spielen da keine große Rolle. Derzeit kommen dem Technologiesektor günstige langfristige Trends zugute, wie die Künstliche Intelligenz oder die Digitalisierung.

In der jüngsten Ausgabe von „Perspectives“ erwähnen Sie, dass Schwellenländer-Anleihen wieder attraktiver geworden sind. Sehen Sie hier Anlagechancen?

„Ja, die Geld- und Ausgabenpolitik der Schwellenländern ist seit der Pandemie deutlich restriktiver geworden, während die Industriestaaten nun genau die Geld- und Ausgabenpolitik betreiben, die sie den Schwellenländern früher immer vorwarfen, nämlich eine extrem expansive. Das ist auch der Grund, warum der Index der Schwellenländeranleihen den der Industriestaaten weit hinter sich gelassen hat. Und trotzdem halten viele Anleger diese Anlageklasse immer noch für zu riskant und meiden sie.

Sie sprechen auch davon, dass der japanische Aktienmarkt in einer guten Verfassung ist. Ist Japan derzeit ein attraktives Anlageziel?

„Der japanische Aktienmarkt dürfte in den kommenden Jahren vielleicht einer der attraktivsten sein. Mein Hauptargument ist die verbesserte Corporate Governance der Unternehmen, die Rentabilität und höhere Gewinnmargen möglich macht. Dazu kommt, dass der Markt nach seinen Rekordständen der Achtzigerjahre in den vergangenen Jahrzehnten von den Anlegern vernachlässigt worden war. Auch wenn sich viele Anleger immer noch fernhalten, hat sich der japanische Markt in den vergangenen Jahren besser entwickelt als andere Märkte, auch wenn die Ergebnisse durch den schwächeren Yen etwas verwässert wurden. In lokaler Währung war Japan in den vergangenen Jahren jedenfalls der Markt mit der besten Performance – und ich denke, das wird so bleiben.

Zum Schluss noch zum weiter steigenden Goldpreis.

„Gold bleibt auch heute noch eine sehr attraktive Anlageform. Mittel- und langfristig wird Gold weiter steigen. Gold steigt weiter, obwohl manche Einflussfaktoren eigentlich die entgegengesetzte Entwicklung erwarten lassen würden, so z. B. die steigenden Zinsen oder der starke US-Dollar. Es gibt immer noch eine starke Nachfrage nach physischem Gold, vor allem von Seiten der osteuropäischen Notenbanken. Diese Nachfrage, wie auch die zunehmende Fragmentierung der Weltwirtschaft und das abnehmende Vertrauen in Papiergeld, dürften dafür sorgen, dass der Goldpreis weiter steigt.

Betrachtet man den Goldkurs aber inflationsbereinigt, so sind wir noch weit von den Rekordständen von 1980 oder 2011 entfernt. Er hat also weiteres Aufwärtspotenzial, auch wenn Korrekturen natürlich nie ausgeschlossen werden können.

 

 

Guy Wagner, Chief Investment Officer

Nach seinem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Université Libre in Brüssel kam Guy 1986 zur Banque de Luxembourg, wo er in der Folge die Leitung der Abteilungen Finanzanalyse und Asset Management übernahm. Seit 2005 ist er Chief Investment Officer von BLI - Banque de Luxembourg Investments.

Folgen Sie mir auf LinkedIn

Abonnieren Sie den monatlichen Newsletter
Erhalten Sie jeden Monat Analysen zu den Finanzmärkten und die aktuellen Nachrichten der Bank.

Lesen Sie unseren neuesten Newsletter Lesen Sie unseren neuesten Newsletter