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Hören Sie den Podcast über die vergangenen 100 Jahre Wirtschafts- und Finanzgeschichte. Guy Wagner, Chief Economist der Bank, im Interview mit der Wirtschaftshistorikerin Salma Haouach.

Willkommen bei Résonance, dem Podcast der Banque de Luxembourg. Er wirft einen Blick auf die markanten Ereignisse der vergangenen 100 Jahre und beleuchtet, welche Resonanz sie in der modernen Gesellschaft gefunden haben. Inwieweit können uns die Ereignisse von gestern helfen, den Herausforderungen der Finanzwelt von morgen zu begegnen?

Unser sechsteiliger Podcast zeigt Ihnen, welche großen – auch positiven – Entwicklungen sich aus den Krisen der Vergangenheit ergeben haben.

 

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Dem Druck, in ein Trendthema zu investieren, muss man widerstehen können.Guy Wagner, Chief Economist

Zusammenfassung:

SH: Herr Wagner, die Banque de Luxembourg feiert ihr hundertjähriges Bestehen. Das sind auch 100 Jahre Wirtschafts- und Finanzgeschichte, mit Krisen, mit ruhmreichen, aber auch deutlich weniger erfreulichen Momenten... Was fällt Ihnen dazu ein?

GW: Schwer zu sagen... Ich selbst war keine 100 Jahre bei der Bank, sondern habe 1986 hier angefangen. Wir Menschen werden vor allem von den Ereignissen geprägt, die wir selbst erlebt haben. Wenn wir aber die Finanzgeschichte betrachten, stellen wir oft fest, dass die Ereignisse, die wir womöglich gar nicht selbst miterlebt haben, die Geschichte im Endeffekt aber stärker geprägt haben als die, bei denen wir dabei waren.

SH: Herr Wagner, haben Sie in der Bank eine besondere Mentalität gespürt, als Sie angefangen haben? Wie sehr hat sich die damalige wirtschaftliche und finanzpolitische Lage auf die Haltung innerhalb der Bank ausgewirkt?

GW: 1986 habe ich angefangen. Und 1987 kam der Börsencrash. Es war der erste große Crash seit 1929, und die meisten Kollegen, die damals hier arbeiteten, hatten so etwas noch nie erlebt. Für mich als jungen Berufsanfänger war das ein prägender Moment.

Danach kamen andere Ereignisse. In den 1990er Jahren war es die Krise der Schwellenländer, die damals als Asienkrise bezeichnet wurde. Später hatten wir das Platzen der Dotcom-Blase, 2008 die Finanzkrise. Und in diesem Jahr die Coronakrise.

SH: Wie haben Sie als junger Volkswirt in der Finanzbranche diese Krise damals erlebt?

GW: Ich denke, das hängt ein wenig von der eigenen Persönlichkeit ab. Für uns war es sehr wichtig, dass wir eine Philosophie hatten, eine Anlagemethodik, an die wir wirklich glaubten. Wir haben uns immer gesagt, dass wir früher oder später wieder auf die Beine kommen würden. Das hat uns ein Stück weit beruhigt, auch wenn wir in dem Moment natürlich verunsichert waren.

SH: Eine Krise hinterlässt zwangsläufig ihre Spuren... Was ist bei Ihnen geblieben von den Krisen, die Sie erlebt haben?

GW: Man sagt oft, dass in jeder Krise eine Chance steckt. Für einen Fondsmanager ist da tatsächlich etwas dran. Wenn man Unternehmen oder Qualitätspapiere zu vernünftigen bzw. sogar sehr günstigen Preisen kaufen möchte, muss tatsächlich etwas ungewöhnlich sein, eine Art Krise, die bei vielen anderen Anlegern Panik auslöst. Nur in solchen Momenten kann man diese Unternehmen kaufen. Daher ist eine Krise für uns jedes Mal auch eine gewisse Chance.

Was von Krisen aus wirtschaftlicher Sicht auch häufig bleibt, ist die Art und Weise, mit der fast alle Zentralbanken seit 40 Jahren auf Krisen reagieren: die Zinsen. Das Problem ist nur, dass man mit Zinsveränderungen niemals wirklich die Lage verbessert, sondern damit schon wieder den Nährboden für die nächste Krise bildet. Meiner Meinung nach ist das wirtschaftliche Umfeld in den vergangenen 30 oder 40 Jahren immer zerbrechlicher geworden.

SH: Wann wird eine Krise zur Chance? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein?

GW: Ruhe bewahren ist immer klug. Allerdings muss ich zugeben, dass die Lage in Krisen wie 2008 irgendwann trotzdem sehr beunruhigend wird. Aber man sollte versuchen, einen kühlen Kopf zu bewahren und einen langfristigen Anlagehorizont beizubehalten. Dabei sollte man sich nicht davon irritieren lassen, was in den kommenden drei Monaten passieren wird. Nein, hier geht es um eine wirklich langfristige Ausrichtung. Man muss eine Anlagemethodik haben, an die man glaubt, die sich schon immer bewährt hat und die sich weiterhin bewähren wird. Warren Buffett, einer der größten Investoren, sagte immer, „man soll kaufen, wenn die anderen Angst haben“, und man solle eher die Finger von etwas lassen, wenn alle gierig danach seien. In der Tat haben die Menschen in einer Krise Angst. Oft verscherbeln sie ihre Vermögenswerte aus Angst – oder mitunter auch, weil sie Geld brauchen. Zu einem solchen Zeitpunkt sorgt die Krisenstimmung für Chancen.

„Man sollte kaufen, wenn die anderen Angst haben.“Warren Buffett

SH: Ihren Ausführungen entnehme ich, dass Vernunft und Unvernunft immer in einem ganz interessanten Verhältnis zueinander stehen. Man hat zwar den Eindruck, dass die Finanzindustrie sehr strukturiert ist. Diese Struktur scheint manchmal aber bedroht zu sein. Wie gehen Sie damit um?

GW: Auch das ist ein bisschen eine Frage des gesunden Menschenverstands. In der Finanzwelt werden viele Theorien oder Produkte auf den Markt gebracht, die immer undurchsichtiger sind. Ein Fondsmanager muss in dieser Situation dem großen Druck widerstehen können. Er sollte nicht in Trendthemen investieren und irgendwann „nein“ sagen – auch wenn das Anlagethema zwar stichhaltig ist, aber die Preise viel zu hoch sind.

Vor einigen Jahren haben wir als Vermögensverwaltungsgesellschaft eine Broschüre mit dem Titel „Einfache Konzepte in einer komplexen Welt“ herausgebracht. Der gesunde Menschenverstand droht heutzutage leider immer mehr verloren zu gehen, ist aber besonders für einen Fondsmanager von sehr großer Bedeutung. Viele, möglicherweise durchaus gute Produkte liegen im Trend – aber gegenüber all diesen Neuheiten muss man kritisch bleiben.

SH: Sie haben gerade von Modeerscheinungen gesprochen. Heute hört man viel vom „nachhaltigen und verantwortlichen Investieren“. Ist das eine Modeerscheinung oder eine wirkliche Grundtendenz?

GW: Ich denke, das ist mehr als eine Modeerscheinung. Das ist ein nachhaltiger Trend. Wir stellen fest, dass die jungen Generationen den Schwerpunkt stärker auf nachhaltiges und verantwortliches Investieren legen als die älteren Generationen. Das ist ein Bereich, in dem jeder seine eigene Vorstellung von verantwortlichem Investieren hat. Einige Marktteilnehmer wollen bestimmte Branchen ausschließen, andere hingegen überhaupt nicht. Innerhalb dieses großen Trends gibt es Unterschiede, sie werden aber meiner Ansicht nach mit der Zeit verschwinden.

SH: Hat nachhaltiges und verantwortliches Investieren innerhalb der Bank viel verändert oder haben Sie mit dieser Anlagephilosophie letztlich früher schon geliebäugelt?

GW: Vielleicht ein wenig von beidem... Veränderungen gab es, weil wir als Vermögensverwaltungsgesellschaft 2017 die Prinzipien für Verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen unterzeichnet haben. Doch unsere Anlagemethodik hat damals schon ESG-Kriterien berücksichtigt, und wir investieren grundsätzlich nicht in bestimmte Branchen, beispielsweise Energie oder Rohstoffe.

SH: Herzlichen Dank, Herr Wagner, dass Sie uns die Zusammenhänge erklärt und über Ihre Erfahrung berichtet haben. Es war ein Genuss, mit Ihnen zu reden! Mit dieser Episode über die vergangenen 100 Jahre Wirtschafts- und Finanzgeschichte ist unser sechsteiliger Podcast zu Ende.

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