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Die Vorhersage kurzfristiger Schwankungen an den Aktienmärkten ist für viele Anleger ein beliebter Zeitvertreib. Tatsache ist jedoch, dass dies eine müβige Übung ist, da diese Schwankungen meistens oft zufälliger Natur sind und nicht wiederkehrend erfolgreich vorhergesagt werden können.

Für Investoren mit einem längeren Anlagehorizont ist es dagegen möglich, ihre Renditeerwartungen an viel konkreteren Parametern zu verankern.

Das vergangene Jahrzehnt war besonders günstig für Aktien. So verzeichnete beispielsweise der S&P 500-Index in den Vereinigten Staaten in diesem Zeitraum eine annualisierte Rendite von 13,6 %.

Der Preis einer Aktie entspricht dem Gewinn pro Aktie des betreffenden Unternehmens multipliziert mit dem Bewertungsmultiplikator, den Investoren bereit sind, für diesen Gewinn zu zahlen:

  • K (Kurs) = G (Gewinn pro Aktie) x K/G (Kurs/Gewinn-Verhältnis = Multiplikator)

Damit K (Aktienkurs) steigen kann, muss also G (Gewinn pro Aktie) steigen und/oder K/G (Multiplikator) steigen.

Die nachstehende Tabelle zeigt die Aufschlüsselung der Performance des S&P 500-Index über das vergangene Jahrzehnt auf der Grundlage dieser Beobachtung. Ausgehend von der linken Seite ist zu erkennen, dass der Umsatz der 500 in diesem Index enthaltenen Unternehmen um durchschnittlich 3,9 % gestiegen ist. Im gleichen Zeitraum gelang es diesen Unternehmen, ihre Gewinnspanne deutlich zu erhöhen (insbesondere durch Kostensenkungen), so dass ihr Gewinn deutlich stärker stieg als ihr Umsatz (7,4 %). Darüber hinaus investierten dieselben Unternehmen relativ wenig und konnten daher einen erheblichen Teil ihres Cashflows für den Rückkauf ihrer Aktien verwenden. Das niedrige Zinsniveau war ein weiterer Faktor, welcher diese Aktienrückkäufe begünstigte. Infolgedessen ging die Zahl der ausstehenden Aktien zurück, und der Gewinn pro Aktie stieg stärker als der Gewinn (8,9 %).

Aufschlüsselung der Performance des S&P 500-Index über das vergangene Jahrzehnt

Quelle: Standard & Poor’s, Thomson Financial, Credit Suisse

Hätten die Investoren Ende 2019 für diese Gewinne die gleiche Bewertung wie Ende 2009 gezahlt, wäre die Geschichte damit zu Ende gewesen. Die Aktienrendite hätte 8,9 % betragen, zu der noch Dividenden hinzuzurechnen wären. Mit der Erhöhung der Multiplikatoren wurde jedoch ein weiteres positives Element hinzugefügt. So waren die Investoren Ende 2019 bereit, bedeutend mehr für die Unternehmensgewinne zu zahlen, was die annualisierte Rendite um weitere 2,2 % erhöhte.

Der Wert dieser Aufschlüsselung besteht jedoch nicht darin, zurückzublicken, sondern einen Rahmen und eine Disziplin zu schaffen, um die Erwartungen, was die zukünftige Rendite angeht, zu verankern. Für jede der Komponenten welche diese Rendite bestimmen wird, sollte sich ein Anleger über seine Annahmen im Klaren sein:

Die Entwicklung der Umsätze

Die Umsatzentwicklung der Unternehmen als Ganzes ist in hohem Maße mit der Entwicklung der Weltwirtschaft verbunden. Das Weltwirtschaftswachstum hat sich seit der Finanzkrise strukturell verlangsamt. Hinter dieser Verlangsamung steht eine Vielzahl von Faktoren, die von zu hoher Verschuldung, demographischen Trends und übermäßiger Regulierung bis hin zu zunehmenden sozialen Ungleichheiten reichen. Der Covid-19-Schock scheint einige dieser Faktoren weiter beschleunigt zu haben. Natürlich könnten wachstumsfreundlichere Maßnahmen umgesetzt werden, aber die derzeitige politische Dysfunktion und der zunehmende Populismus lassen dies nicht sehr optimistisch erscheinen. Ein weiterer zu berücksichtigender Punkt ist, dass sich das Umsatzwachstum der wichtigsten Unternehmen im Index (also der Technologieunternehmen) aus mathematischen Gründen früher oder später verlangsamen muss.

Die Entwicklung der Gewinnmargen

Können diese Margen weiter steigen, obwohl sie im historischen Vergleich bereits sehr hoch sind? Dies würde bedeuten, dass, um marxistische Begriffe zu verwenden, die Früchte des Wachstums weiterhin hauptsächlich dem Faktor "Kapital" und nicht dem Faktor Arbeit" zugutekommen.

Anteil der Gehälter am nominalen Bruttoinlandsprodukt (Durchschnitt über Jahrzehnt)

Quelle: OECD, Minack Advisors

Ein Element, das dafür spricht, ist die Fortsetzung der technologischen Entwicklung (im weitesten Sinne, also inklusive Trends wie der Robotisierung). Auch hier könnte der Covid-19-Schock bestimmte Tendenzen beschleunigen (verstärkter Einsatz von Technologie, Abbau von Arbeitskräften usw.). Auf der anderen Seite gibt es die Erkenntnis, dass die sozialen Ungleichheiten zu groß geworden sind, und die Zunahme des Populismus, die zu einer für die Gewinnspannen der Unternehmen weniger günstigen Politik führen könnten. Zudem müssen die Unternehmen zukünftig möglicherweise bedeutend mehr für Maβnahmen zum Schutze der Umwelt und zur Sicherheit ihrer Arbeiter ausgeben.

Gewinnmargen der Unternehmen (in % des BIP)

Quelle: MSCI, Datastream, NBER, Minack Advisors

Aktienrückkäufe

Wird die Begeisterung für Aktienrückkäufe anhalten? Dies wird zu einem großen Teil von den Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen abhängen. Wenn diese Möglichkeiten zunehmen, wird weniger Cashflow für Aktienrückkäufe zur Verfügung stehen. Wenn nicht, sollten die Rückkäufe fortgesetzt werden, insbesondere in angelsächsischen Ländern, in denen das Shareholder-Value-Prinzip nach wie vor vorherrschend ist. Für einige Branchen werden Aktienrückkäufe jedoch politisch sehr viel sensibler werden. Das Beispiel der US-amerikanischen Fluggesellschaften, die in den vergangenen Jahren ihren Aktionären nahezu ihren gesamten Cashflow ausbezahlt und dann in der Krise staatliche Hilfe in Anspruch genommen haben, ist in dieser Hinsicht aufschlussreich.

USA: Unternehmensgewinne und Investitionen in % des BIP

Quelle: BEA, BLS, NBER, Minack Advisors

Die Entwicklung der Bewertungsmultiplikatoren

Dies ist vielleicht die am schwierigsten vorherzusagende Komponente, da sie zum Teil durch psychologische Faktoren beeinflusst wird. Die Finanzgeschichte zeigt, dass die Märkte Phasen durchlaufen, in denen eine Art kollektiver Optimismus dafür sorgt, dass Investoren bereit sind, bedeutend mehr für die Unternehmensgewinne zu zahlen, gefolgt von Phasen des kollektiven Pessimismus mit viel niedrigeren Multiplikatoren. Allerdings gibt es rationale Elemente, die diese Multiplikatoren beeinflussen, angefangen bei der Höhe der Zinssätze. Niedrige Sätze erhöhen den Gegenwartswert künftiger Einnahmen (100 Euro, die 2025 zu erhalten sind, sind heute mehr wert, wenn sie mit 5 % abgezinst werden, als wenn sie mit 10 % abgezinst werden). Darüber hinaus verringern niedrige Zinsen die Attraktivität festverzinslicher Anlagen, die zu den Hauptkonkurrenten der Aktien gehören. Die Multiplikatoren sind derzeit relativ hoch, und eine Rückkehr zu ihrem langfristigen Durchschnitt würde die zukünftigen Aktienrenditen belasten. So liegt ein Grund dafür, warum die Aktienrenditen im Jahrzehnt 2000-2009 enttäuschend waren, darin, dass die Multiplikatoren Ende 1999 besonders hoch waren. Andererseits könnten diese Multiplikatoren bei Ausbleiben einer Zinserhöhung hoch bleiben oder sogar noch weiter steigen.

Im Vorstehenden habe ich versucht, einige Denkanstöße für jede der Komponenten zu geben, die die langfristige Aktienperformance bestimmen. Jeder Investor wird dazu seine eigenen Vorstellungen haben. Die Meinungen können von sehr positiv (anhaltender Anstieg der Gewinnmargen und der Bewertungsmultiplikatoren) bis sehr negativ (eine Kombination aus rückläufigen Gewinnen und Multiplikatoren) reichen, aber ein Investor sollte sich zumindest der Annahmen bewusst sein, die in seinen Prognosen enthalten sind.

Guy Wagner, Chief Investment Officer

Nach seinem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Université Libre in Brüssel kam Guy 1986 zur Banque de Luxembourg, wo er in der Folge die Leitung der Abteilungen Finanzanalyse und Asset Management übernahm. Seit 2005 ist er Chief Investment Officer von BLI - Banque de Luxembourg Investments.

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